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Gärten für die Ewigkeit

- Ein Waldgarten kann Generationen ernähren




"Wie lange kann eine Edelkastanie Früchte tragen?" Diese Frage stelle ich fast an jedem Kurs. Etwa 100 Jahre sagen die einen, 150 die anderen. Dass eine Edelkastanie etwa 1000 Jahre alt werden kann, fasziniert die meine Zuhörer*innen. Stellen Sie sich einmal vor, wenn dieser Baum 700 Jahre davon Früchte trüge, wie viele Menschen und Tiere er in dieser Zeit ernähren würde. Ich durfte selbst mal eine Kastanie besuchen, die auf über 800 Jahre geschätzt wird; und das in der Schweiz! Ein Walnussbaum kann bis zu 160 Jahre und ein Haselnussbaum bis zu 100 Jahre alt werden. Diese Wesen können also Generationen von Menschen ernähren. Nimmt man dann noch Eicheln als Grundnahrungsmittel dazu, dann hat man Kandidaten für die Ewigkeit.....


Warum all diese Zahlen und Fakten?

Heute muss alles schon fertig sein, bevor man es produziert hat. Alles schneller, billiger und nur für ein kurzes Leben gedacht. Die mitteleuropäische Landwirtschaft stützt sich nicht nur auf die Rücken von Abermillionen von Nutztieren, sie braucht auch immer mehr Land. Land, das vorher noch fruchtbar war, wird durch Misswirtschaft langsam unbrauchbar und neue Flächen müssen her. Sei es hier auf dem Kontinent oder irgendwo in ehemaligen Regenwäldern. Die Problematik ist seit langem allgemein bekannt, doch die Lösungen wachsen seit noch längerer Zeit direkt vor unserer Haustür. Gemeint sind nicht die Lebensmitteldiscounter, die immer noch überall wie die Pilze aus dem Boden schiessen, sondern die Bäume, die für diese technokratischen Nahrungsmittelkonsumtempel gefällt werden.


"Nur" Bäume pflanzen nützt nicht viel

Ja, Sie haben richtig gelesen. Überall werden auf Social Media Spendenaktionen für Baumpflanzaktionen gemacht, sogar Billigkleidermarken kaufen sich so ein grünes Image. Doch die Frage ist nicht, wie viele Bäume gepflanzt werden, sondern wie viele überhaupt wachsen und gross werden! Ein junger Baum reagiert noch sehr empfindlich auf Dürre, Krankheiten und auf Tierfrass. Jeder Baum hat natürlicherweise seine Rolle in der Sukzession (die Abfolge, welche die Natur vom nackten Boden über Pionierphase, Buschphase bis zum Hochwald durchläuft). Wenn Buchen zu früh gepflanzt werden --d.h. wenn noch nicht genug Humus vorhanden ist-- wachsen sie nicht richtig. Sie sind Bäume der Klimaxwaldphase. So geht es auch vielen der gepflanzten Bäume in diesen Aktionen, wenn sie schlecht ausgewählt werden oder nicht gepflegt werden. Liebe weniger Pflanzen, dafür mit resilienteren Pionierbäumen starten und diese auch pflegen.




Die Gärten einer heisseren Zukunft

Auch dieser Sommer (2022) zeigt uns auf, wie verheerend längere Trockenperioden auf die landwirtschaftliche Produktion (Versorgungssicherheit) haben können. So viele Pflanzen keimen nicht oder verdorren, weil die Bewässerung wegen Wassermangel verboten oder eingeschränkt ist. Ein rigoroser Humusaufbau und die Förderung der Mykorrhizaverbindungen (Pilzfäden-Internet des Bodens) werden sicherlich bei den einjährigen Kulturen eine wichtige Rolle spielen, doch wir können noch einen Schritt weitergehen und uns an den langlebigsten Ökosystemen unserer Breitengrade orientieren; den Wäldern.

In gesunden, dem Standort angepassten Wäldern ist die Luft kühl, frisch und der Boden feucht; auch nach langer Trockenheit. Die immer häufiger werdenden Starkregenereignisse können durch die hohe Durchlässigkeit des Waldbodens, das ganze Wasser aufnehmen. Zu Erosion (Bodenabtragung) kommt es nur auf offenen Acker und Gartenböden. Ein gesunder, lebendiger Boden ist ständig mit Pflanzen bedeckt und mit lebendigen Wurzeln durchwachsen.


Das Prinzip der Agroforste versucht die Wälder wieder auf die gefährdeten Äcker zu bringen und so das beste des offenen Feldes und des Waldes zu haben. Eine erprobte Kombination ist eine Mischkultur von z.B. Pappel-Weizen oder Walnuss-Weizen. Die Bäume werden in Streifen gesetzt, die bis zu 30m Abstand voneinander haben. Zwischen ihnen werden Ackerfrüchte wie der Weizen angebaut. Die Kronen der Bäume schützen den Weizen vor zu viel Sonne und Wind; das Getreide gibt schon im ersten Jahr einen guten Ertrag. Über das Hydrolic Lifting holen Bäume Wasser und Nährstoffe aus tieferen Bodenschichten, an die der Weizen sonst nicht herankommt.

Der Nachteil dieser Kombination: Neben dem Anpassen der Erntetechnik ist die Artenvielfalt mit nur zwei dominanten Spezies doch sehr bescheiden; da geht noch viel mehr.





Die Idee ist auch in Europa nicht neu!

Max Paschall beschreibt in seinem fantastischen Artikel «The lost forest gardens of Europe» die Waldgartenkultur der «Haselmenschen» und die Obstgärten, die sich über den ganzen Kontinent erstreckten. In jenen Gärten wuchsen über 450 essbare Pflanzen, die Teil der jungsteinzeitlichen Diät waren. Pflanzen wie Brennnesseln, Hasel, Vogelbeeren, Ampferarten, Birnen, Holzapfel, Trauben, Kirschen, Mispeln, die Wurzeln von Wasserpflanzen wurden halbwild angebaut. Viele davon sind so resilient und wuchsfreudig, dass sie mit minimalem Aufwand angebaut werden können. Heute gelten viele davon als Unkräuter und Krankheiten wie Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauferkrankungen, zahlreiche Krebserkrankungen und Adipositas als "schicksalshaft" und fast schon normal. Solche Waldgartensysteme gibt es bis heute, doch sie sind stark vom Aussterben bedroht.


Waldgärten als dominierender Teil der zukünftigen Landwirtschaft?

Vielleicht. Sehr gut möglich. Das wäre einfach super. Waldgärten sind Agrarökosysteme, die sich an den tropischen Urwäldern und ihren mehrschichtigen Vegetationstockwerken (Bsp. Kronen-, Strauch- und Krautschicht) orientiert. Statt nur Baum und Ackerfrucht, werden bei Waldgärten in Mitteleuropa meistens noch eine Kraut- und Strauchschicht (in den Tropen funktionieren noch mehr Stockwerke) mit eingeplant. Diese Schichten bestehen wie die Kronenschicht aus Nutzpflanzen; entweder zur Produktion von Nahrungsmitteln, Futtermitteln (bsp. Schneitellaub) oder auch Medizinalpflanzen und edlen Hölzern.

Wie schon angedeutet, haben wir ein grosses Problem mit dem Nährstoffgehalt unserer Nahrungsmittel, der in den letzten 90 Jahren bis zu 80% abnahm. Mehrjährige Nutzpflanzen haben meistens grössere/weitverzweigter Wurzelsysteme und können mehr Mineralien sammeln, die uns dann zur Verfügung stehen. Die unangefochtene Queen der Nährstoffe ist natürlich die Brennnessel.


Die immer unvorhersehbaren Wetterschwankungen können mit resilienten Waldgärten gepuffert werden und einen Ertrag sichern. Durch die Vielfalt ihrer Pflanzen hat man eine höhere Chance, dass kein Totalausfall eintritt. Ausserdem sind lockere, lichtdurchflutete Waldgärten unglaublich ästhetisch. Ästhetik ist etwas, das die modernen Landschaften und Siedlungen bitter nötig hätten. Dieter Wielands "Grün kaputt" zeigt die Thematik wunderbar auf, auch wenn die Doku schon über 30 Jahre alt ist.


Der Waldgarten vor dem Haus

Die beste Idee, die man haben kann. Eine grüne Siedlung ist eine gesunde Siedlung mit guter Luft, freie Radikale puffernden negativen Ionen, ein tolles Habitat für zahlreiche Wildtiere und ein Ort an dem sich Menschen wohlfühlen. Frei nach Wolf Dieter-Storl: Der Wald ist unsere Heimat.


Die Idee der Nussallmenden

Eine Allmende ist ein Ort, der früher von verschiedenen Familien, gemeinschaftlich-landwirtschaftlich genutzt wurde. Sie kann z.B. eine Wiese, Obstwiese oder ein Waldstück für die Mästung der Schweine sein. Mein Traum sind Nussallmenden. Ein Ort, an dem mächtige Nussfruchtbäume wachsen, die in einem Hausgarten keinen Platz haben. Walnuss, Eichen, Edelkastanien, Haselnusssträucher, Hickory, Pekan ect. brauchen sehr viel Platz. Wenn sie einmal in den Vollertrag kommen, ernähren sie ganze Sippen....über Jahrhunderte hinweg. Das nenne ich eine Versorgungsversicherung. Also lasst uns Waldgärten pflanzen, die folgenden Generationen werden es uns danken.


Wenn Sie mehr zum Thema wissen wollen, schauen Sie doch vorbei auf meinem Blog; zu finden auf www.erdwandler.com


Autor: Joscha Boner


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