Eine kurze Schneckengeschichte
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Eine kurze Schneckengeschichte

Aktualisiert: 25. Jan.





Kein Thema ist mehr präsent, wenn es ums Thema Garten geht. So scheint es doch, dass die Schnecken in den meisten Gärten in unseren Breitengraden die «Schädlinge Nummer 1» sind. Es gibt unzählige Theorien und Strategien, wie wir mit den kleinen Tierchen klarkommen können. Dies beginnt beim einfachen Schneckenkorn, geht über Bierfallen, das Verteilen von Zimtpulver und Absammeln bis hin zum Zerschneiden mit der Schere. Jeder und jede GärtnerIn hat eine eigene Strategie entwickelt, doch so richtig zu funktionieren scheint keine davon.


Das Schneckenkorn empfehle ich niemandem, das Gift gelangt in den Boden und damit schliesslich auch auf unsere Teller. Guten Appetit! Die ganzen Hausmittel, wie das Aufstellen von Bierfallen, sind auch eher nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Richtig nützen tun sie nicht. Das Absammeln im Regen, wenn die Schnecken ihre Runden drehen, macht meiner Meinung nach einfach nicht so Spass. Zudem nimmt es recht viel Zeit in Anspruch. Es stellt sich auch die Frage, wohin mit den Schnecken, wenn man sie mal gesammelt hat. Lieber nicht den Eimer mit dem Sammelgut in der Küche stehen lassen, das kann im Desaster enden. Und das Zerschneiden mit der Schere an Ort und Stelle bringen die meisten, so auch ich, nicht übers Herz. Natürlich könnte man sich auch Laufenten anschaffen. In der Tat sind die Tiere ausgezeichnete Schneckenjäger. Aber leider können sich nicht alle Menschen Enten anschaffen für den Garten.


In der Permakultur versuchen wir durch Beobachtung dem Problem auf den Grund zu gehen und nicht die Symptome zu bekämpfen. Also schauen wir doch den Schnecken in unserem Garten mal zu.

In unserem ersten Gartenjahr bei uns im Permakultur-Lerngarten war zunächst alles Wiesland. Mit dem Spaten pflügten wir den grössten Teil um und starteten ein Gemüsebeet. Alles wuchs prächtig, von Schnecken keine Spur. Gegen Herbst tauchten bereits die ersten Neuankömmlinge auf, doch sie interessierten sich nicht gross für unsere Kulturen.


Im zweiten Gartenjahr waren wir wieder hochmotiviert und freuten uns aufs Ansäen und Setzen unserer Pflanzensetzlinge. Es war ein verregneter Frühling. Beim nächsten Besuch in unserem Garten trauten wir unseren Augen nicht, alle unsere Setzlinge waren verschwunden. Nur mit Mühe und Absammeln konnten wir doch noch unser Gemüse anbauen und hatten trotz allem eine gute Ernte. Doch mir war klar, eine dauerhafte Strategie kann das nicht sein. Es muss eine andere Lösung geben. Doch was ist in diesen zwei Jahren passiert? Wieso sind plötzlich so viele Schnecken da, wo vorher keine waren? In der wilden Natur kommen solche Anhäufungen an Schnecken nicht vor. Es ist ganz klar, dass etwas, was wir Menschen in unseren Gärten machen, die Schnecken an- lockt. Zuvor war das Wiesland im natürlichen Gleichgewicht. Als wir mit unseren Schaufeln daherkamen, stürzte der Garten ins Ungleichgewicht. Die Schnecken mussten kommen und wieder aufräumen, sie

wollten das Gleichgewicht wiederherstellen.





Stellen wir uns einmal die Frage, warum die Schnecken da sind. Was ist die Aufgabe der Schnecken? Haben Sie sich diese Frage schon mal gestellt? Denn jedes Tier auf diesem Planeten hat eine Aufgabe. Die Schnecken zersetzen schwache sowie faule oder absterbende Pflanzenteile. Sie sind also für die Kompostierung in unserem Garten zuständig und fühlen sich von Fäulnis angezogen. Sie finden also, dass der frisch gepflanzte Kohl zu schwach ist, um sich im Garten zu etablieren und daher vertilgt wer- den kann, um kompostiert wieder im Boden zu landen. Aber wieso denken sich die Schnecken das?


Vielleicht müssen wir einmal genau anschauen, woher unser kleiner Setzling kommt. Und ob er wirklich so gesund und vital daherkommt, wie es auf den ersten Blick scheint. Dazu erzähle ich Ihnen eine kleine Geschichte:

Es war einmal ein kleiner Kohlsamen. Seine Mutterpflanze kam aus einem fernen Land hoch im Norden Europas, nämlich aus einem Gewächshaus in Holland. Hier wurde unser kleiner Samen geboren und von der Mutter getrennt. Danach kam der Kleine in ein steriles Substrat, weit weg von Familie und Verwandten, in eine Umgebung ohne Bodenpilze und Mikroorganismen. Das Aufwachsen im Gewächshaus und bereits im Winter war auch alles andere als natürlich. Bewässert wurde nicht bei Regen, sondern an jedem Tag, egal ob Sonnenschein oder nicht. Danach wurde er im zarten Alter von wenigen Tagen plötzlich in eine Kiste verpackt und abtransportiert. Mit dem Lastwagen ging’s weiter viele Kilometer ab in die Verkaufsstelle. Hier wartete unser kleiner Kohlsetzling, bis er einen neuen Besitzer bekam. Das Verkaufspersonal kümmerte sich jedoch kaum um den Jüngling. Der Kleine wuchs einsam und ohne Zuneigung oder Liebe in einem Regal im Supermarkt auf. Dann jedoch kam der neue Besitzer. Der Kohl kam in sein neues Zuhause. In einen wilden Garten voller Tiere, anderer Pflanzen, Pilze, Bakterien und Mikroorganismen. Er kam in eine Welt, wie er sie noch nie gesehen hatte. Auch die Sonne, die hoch am Himmel stand, hatte er so noch nie so richtig zu Gesicht bekommen. An seinem neuen Standort musste er sich erst mal zurechtfinden und kämpfte bereits gegen die starke Sonne. In der Nacht kam dann plötzlich eine Schnecke vorbei. Der Setzling wurde rasch als Neuling erkannt, da er ganz anders duftete und ganz andere Bakterienstämme an sich trug. Das war’s dann mit unserem kleinen Freund, hoffentlich hat er im nächsten Leben mehr Glück.


Natürlich haben nicht alle Setzlinge, die wir in unserem Garten pflanzen, eine solche Jugend. Jedoch zeigt die kurze Geschichte, wie unnatürlich eine Kohlpflanze aufwachsen kann. Kein Wunder, will sich die Natur dagegen wehren. Unser Ziel ist es nun, dem Setzling eine möglichst natürliche Umgebung zu geben. Damit er gesund und vital aufwachsen kann. So dass die Schnecken meinen: «Dieser Kohl ist einer von uns, der gehört in unseren Garten.» Wir versuchen also möglichst lokales Saatgut zu nehmen, am allerbesten ernten wir es aus unserem Garten. Auch die Sorte kann entscheidend sein. Nehmen Sie Sorten, die möglichst der wilden Art entsprechen. Ein Kopfsalat, der so gezüchtet worden ist, dass er keine Bitterstoffe mehr enthält, wird eher von den Schnecken vertilgt als eine alte Sorte. Zu- dem wachsen die Neuzüchtungen auch schneller und haben daher eine dünnere Haut. Pflanzen Sie den Samen in Erde aus dem eigenen Garten und nicht in gekaufte Erde. So kommt der Samen bereits mit den lokalen Bakterien in Kontakt. Natürlich geht das am einfachsten mit Direktsaat. Falls dies nicht möglich ist, gewöhnen Sie den Setzling langsam ans neue Umfeld, bevor Sie ihn auspflanzen.


Ich hoffe, dieser Artikel hilft Ihnen, einen neuen Blick auf unsere kleinen Freunde zu werfen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!


Autor: Lucas Meyer

Dieser Artikel erschien im Magazin "Freude am Garten"

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