Laub, ein vergessenes Lebensmittel
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Laub, ein vergessenes Lebensmittel

Aktualisiert: 18. März 2022



Von Superfoods, der Medizin von weit weg

„Frische ist inn!“ In den letzten Jahren kommt der „gesunde Lebensstil“ immer mehr in den Fokus des Mainstreams. Menschen spüren und erfahren am eigenen Leib, dass Nahrung mehr als nur Füllstoff ist…..wer hätte das gedacht! Unter dem Titel Superfoods (gemeint sind Lebensmittel, die einen besonders hohen Vitamin oder Mineraliengehalt haben) werden Acai, Maca, Chia-Samen, Gojibeeren, Locumapulver, Moringablattpulver ect. von weither eingeschifft oder eingeflogen, um hier bei uns ihre Heilwirkungen zu entfalten. Maca ist, das kann ich bestätigen, ein toller Libidosteigerer; Chia-Samen haben ein tolles Omega3-6 Verhältnis, enorme Mengen an Mineralien, alle essentielle Aminosäuren und nur wenig Eigengeschmack; Gojibeeren können das Immunsystem boosten (wenn sie nicht aus China, mit Pestiziden belastet sind). In jedem dieser Lebensmittel steckt jedoch viel fossile Energie. Trotzdem ist die Energiemenge viel weniger ist, als in so manchem lokal erzeugten, tierische Lebensmittel, für die Futter angebaut oder sogar vom gleichen Kontinent, von dem auch die Macaknolle stammt, importiert werden muss. Die ideale Textstelle um wieder einmal zu erwähnen, wie wertvoll wilde Pflanzen sind, die direkt vor unserer Haustür wachsen.


Nahrung aus der Wildnis

Viele Bücher und Videos sind in vergangener Zeit über Wildkräuter herausgekommen. Meistens werden jedoch nur kleinwüchsige einjährige, oder mehrjährige wie der Löwenzahn unter der Rubrik „Salatkräuter“ erwähnt. Dass es jedoch auch Salatbäume gibt, ist vielen Menschen nicht bewusst. Schon vor Äonen von Jahren nutzten wir die Blätter von Bäumen als Nahrungsmittel und Viehfutter. Ganze Landschaften sind von sogenannten Schneitelbäumen geprägt.


Als das Schneiteln von Bäumen bezeichnet nichts anderes als die Praktik, durch Schnitt von Ästen an Futter- , Speiselaub-, Steu- (In Ställen), Madratzen- und anderes Nutzlaub zu kommen. Die Kopfwälder (siehe dazu das Video zu den Kopfbäumen: https://www.youtube.com/watch?v=9az9fTMDvSo) in Mitteleuropa zeugen noch von der Nutzung. Heute werden nur noch wenige Bäume so genutzt. Weiden werden immer noch für ihre Äste und Gingko (dazu später mehr) für seine Blätter geköpft oder entlaubt. Die Nutzung des Laubes war früher ein fester Bestandteil des bäuerlichen Lebens.


Toilettenpapier gab es nicht zu kaufen. Grosse Ampferblätter (Rumex spec.) und das Laub der Linde waren stattdessen direkt verfügbar. Es musste nicht extra hergestellt werden.

Zur Kopf- und Niederwaldbewirtschaftung sowie zur medizinalen Nutzung von Bäumen, werden in Zukunft noch Artikel auf diesem Blog erscheinen. Diese Zeilen sollen dir liebe Leserin/lieber Leser nur eine Einführung in ein riesiges Themengebiet geben.


Wir sind es heute so gewohnt, uns vor allem von einjährigen Ackerfrüchten wie Getreide, Kartoffeln, Raps u.s.w. zu ernähren. Das Bäume mehr als «nur Früchte» zum essen liefern, dürfte für den meisten Mitteleuropäer neu sein. Ein Baum schenkt uns zu jeder Jahreszeit Nahrung, Medizin und Wärme. Im warmen Halbjahr können einige Arten von Bäumen wegen ihres Laubes beerntet werden. Speiselaub wurde direkt verzehrt, getrocknet und gemahlen (zur Streckung des Brotmehls), oder zu Sauerkraut fermentiert. Das brachte Mineralstoffe in die Ernährung der Menschen, die im Winter nicht viel Pflanzliches zu essen bekamen. Skorbut (eine durch Vitamin C-Mangel ausgelöste Krankheit) war nach so manchem langen Winter zu beobachten (nicht nur auf längeren Seereisen). Nur wenige (z.B. Essener) Kulturen kannten Sprossen und Mikrogrün (Getreidegras wächst auch bei sehr niedrigen Temperaturen) , die die ganze Situation verändert hätten. Auch heute laufen die Menschen lieber in die Apotheke um den Auswirkungen der scheinbar schicksalshaften, jährlichen Grippewelle entgegen zu treten. Mehr dazu in einem weiteren Beitrag. Auch wir können Blätter und Wildpflanzen in der wärmeren Phase des Jahres sammeln, sie im Schatten trocknen und ihre wertvollen Inhaltsstoffe im Winter nutzen.


Du hast noch nie von Speiselaub gehört? Wetten doch! Seit langem ist bei uns die Heilwirkung des Gingkobaumes (Gingko biloba) bekannt, dessen Blätter einen positiven Effekt auf unsere Gedächtnisleistung haben. Nun, eine Form der Laubnutzung hast du in dem Falle schon gekannt. Gingko ergibt, nebst der Nutzung als Heilpflanze, bis in den Juni hinein einen köstlichen Salatbaum ab. Seine Blätter schmecken ähnlich der Weinrebe; leicht säuerlich. Die anregende Wirkung konnte ich gleich nach dem Verzehr selber erleben.



Die Blätter des Gingko biloba



Bäume, deren Laub man essen kann

Im folgenden Teil, werde ich auf verschiedene Bäume eingehen, die sich besonders als Salat- und Speiselaubbäume für uns Menschen eignet. Neben den vielen Diensten an uns, sind es einfach wunderschöne Wesen.


Auch die Linden (Tilia spec.) geben im Frühjahr, wenn die Blätter noch weich und die Bitterstoffe nicht vollständig in den Blättern ausgebildet sind, eine herrliche Quelle für Salatgrün und Klopapier (Tipp des Autors: Verwende sie nicht erst als Klopapier und dann als…du weisst schon). Diese Form des Salates muss nicht vor Schnecken geschützt werden und wächst jedes Jahr wieder nach; dazu lindert die Linde (wer hätt`s gedacht) Erkältungen und Entzündungen. Mit ihrer lieblichen Energie bringt sie, meiner Meinung nach, eine wärmende Note in jedes Gericht. Wenn du genaueres über die Linde erfahren möchtest, dann schau mal hier:



Die liebliche Linde.


Der Ahorn. Wenn ich Menschen frage, ob Ahorn auf ihrem Speiseplan steht, antworten die, bei denen dies der Fall ist, mit: «Ja klar, als Ahornsirup aus Kanada im Müsli!». Der Sirup des Zuckerahorns (Acer saccharum), der in Kanada heimisch ist, kennt fast jedes Kind. Das man aber diese Süsse auch aus einheimischen Ahornen und sogar aus dem Saft der der Birke machen kann, wiederum nicht. Zu viel Süss (ja auch der Sirup des Ahorns ist in Wirklichkeit eingedickter Phloem-Saft, der ohne Ballaststoffe den Insulinpegel gehörig anhebt) ist nicht sehr gesund. Zu jeder süssen Mahlzeit empfehle ich etwas Grünes. Da bieten sich die Blätter des Berg- und Feldahorns bestens an. Über den Spitzahorn (A. platanoides) weiss ich leider nicht viel, kann mir aber vorstellen, dass er auch gut schmeckt. Machatschek (2002), dass in der Schweiz bis ins Tirol hinein, Fluren mit dem Namen „Ahornboden“ zu finden sind. Dort wurden Bergahorne (Acer pseudoplatanus) zu Futter- und Speisezwecke gepflanzt. Sie wurden beerntet und ihre Blätter in Buckelkörben zum Hof zurück getragen. Die grossen grünen Knospen mit dem typisch schwarzen Fleck, sind auch im Winter ein super Vitaminsnack; sie sind quasi Speiselaub konzentriert in kleinen Bällchen.


Der Bergahorn

Ein grosser „Ahornboden“ im Risstal im Tirol. Die Ahorne wurden hier zu Futter- und Speiselaubgewinnung angepflanzt Quelle: ©Tourismusverband Silberregion Karwendel


Die Vogelkirsche (Prunus avium), der Wildform unserer Kulturkirsche, kann den Salat ebenfalls bereichern. Die Blätter sollten aber bald nach dem austreiben genutzt werden, da sie meiner Meinung nach sehr schnell zäh werden! Über die Heilsamkeit der Vogelkirsche werde ich ebenfalls in einem anderen Beitrag schreiben.



Die Vogelkirsche (Prunus avium)


Pappeln: Ja, wenn ganz jung.


Birken (Beide einheimischen Betula-Arten) haben sehr saponinhaltige Blätter. Saponine sind Seifenstoffe, die dem Baum als Verteidigungssubstanz und uns Menschen z.B.zur Entwässerung des Körpers assistieren. Birkenblätter als Salat kann ich nach meinem Geschmack nur bedingt empfehlen. Ich verwende sie jedoch getrocknet und zermahlen in meiner Winterwildpflanzenpulvermischung (ein fantastisches Wort). Die Erfahrung hat gezeigt, dass zu viele Birkenblätter am Abend, ein ständiges auf die Toilette laufen in der Nacht zur Folge hat! So neben bei gesagt.


Die Birke erkennt jeder an der weissen Rinde.


Buchenblätter: Die Blätter der Blutbuche (Fagus sylvatica) und der Hainbuche (Carpinus betulus ist keine Buche!) finde ich nur in sehr jungem Zustand angenehm zu essen. Mit zunehmender Grösse, werden die Blätter zäh und papierig.



Die Buche erkennt man an den glatten rauen Stämmen und den feinen Härchen an den Blatträndern.



Die Blätter der Hainbuche (Carpinus betulus) sind viel rauher als die der Buche. Zudem sind sie gesägt. Die Stämme dieses niedriger, als F. sylvatica, wachsenden Baumes sind bräunlich und gefurcht.


Eichenblätter: Wegen ihres hohen Gerbsäuregehalt (Tannine), nur sehr bedingt als Speiselauf aber für Medizinische Zwecke wie Hautkrankheiten und Fusspilz einsetzbar.


Erlen: Mir nur als Futterlaub bekannt. Werde sie aber im Salat testen.

Das Laub von Apfel-, Aprikosen-, Pflaumen/Zwetschgen-, Mirabellen- und Birnbäumen, können ebenfalls verzehrt werden.



Mehr als nur Weihnachtsdeko: Der Wert von Nadeln

Auch Nadelbäume können sehr wertvoll in der Ernährung sein. Von folgenden Arten können die Nadeln (die Pollen dieser Bäume sind wiederum eine Liga für sich) genutzt werden:


Föhre (Pinus spec), Fichte und Tanne (Abies und Picea) sowie die Lärche (Larix decidua) und Arve (Pinus cembra). Die Fichte enthält sehr viel Vitamin C in ihren Nadeln, von der Heilwirkung ihrer Terpene jetzt einmal abgesehen. Die Legende besagt, das die Entdecker Lewis und Clark die Westküste Amerikas nur mit der Hilfe von Tannennadeln (beinhaltet mehrere Arten), erreicht haben, die sie über den Winter brachten. Der Vitamin C und Proteingehalt kann am Leben halten. In Mitteleuropa ist der Tannenwipfelhonig (obwohl meistens von der Fichte) als Hustensirup bekannt. Er wird aus den jungen Trieben gewonnen. Das Vit. C ist jedoch nach dieser Kochprozedur zum grössten Teil verschwunden. Ich verwende die Nadeln in Waldteemischungen mit Mädesüss (Filipendula ulmaria), Waldmeister (Gallium odoratum), dem Wohlrichendem Feilchen (Viola odorata) sowie mit Wachholder (Juniperus comunis).





Die Lärche, bzw. ihre jungen Nadeln, ergeben im Frühjahr einen vorzüglichen Snack beim wandern. Ihr Vitamin C-Gehalt ist sehr hoch. Es scheint, als müssten wir nicht erst auf den eigenen Salat im Garten warten. Die Natur ist perfekt und gibt uns auch nach einem langen Winter viele Nährstoffe wieder. Egal ob in den Bergen oder Flachland.



Die Lärche verliert als einziger Nadelbaum Europas im Winter ihre Nadeln. Jedoch treiben sie im Frühling mit voller Vitalität wieder aus.


Die Nadeln des gemeinen Wacholders (Juniperus communis), können geräuchert oder zum würzen verwendet werden. Andere Wacholderarten können leicht giftig wirken. Mit anderen Arten, als J.comunis, habe ich noch keine Erfahrung sammeln können.



Wacholder: Nicht nur die Beeren können hier verwendet werden.


Als Tipp: Die Nadeln der Christbäume (ausser Biobäume) würde ich, wegen der hohen Pestizidbelastung nicht empfehlen. Bei allen anderen, können die Nadeln getrocknet als Tee, oder pulverisiert im Müsli oder Smoothie, wertvolle Dienste erweisen.


Die Weinrebe (Vitis vinifera): Das in der Türkei, Armenien und im Balkan als Dolma bekannte Gericht, besteht aus einer Reisbasis, die mit Weinrebenlaub umhüllt ist. Im Frühjahr und Sommer kann man mich an meinen Reben im Garten beobachten, wie ich, so quasi im Direktverzehr, ein Weinblatt nach dem anderen, in meinen Mund stopfe. Mit ihrer leicht zitronigen Note sind sie einfach himmlisch! Auch als Saft, Salat oder als Wrap kann man sie geniessen. Allerdings würde ich nicht empfehlen, die Blätter aus einem Weinberg zu nehmen, da man nie weiss, wann das letzte mal gespritzt wurde. Auch bei Biowinzern wird nicht auf ein rückstandsfreies Blatt geschaut, da die Früchte im Fokus stehen.



Noch bevor die Trauben reif sind, können schon die Blätter genossen werden.


Über die medizinale Nutzung der Blätter und Nadeln soll in weiteren Beiträgen eingegangen. Wenn man sich jedoch von vielen Wildkräutern und Blättern der Bäume ernährt, frage ich mich, ob Medizin und Nahrung hier nicht eins werden.

Eine vermehrte Nutzung der Blätter, könnte für Agroforstsysteme interessant sein. Die vorgestellten Arten sind einheimisch. In unseren Breitengraden wachsen (oder könnten wachsen) noch viele weitere Bäume, deren Laub kulinarisch sowie medizinal sehr interessant sein könnten. Einer davon ist der Chinesische Gemüsebaum (Toona sinensis), dessen Blätter in Asien als Gemüse verwendet werden. Szechuanpfeffer kann mit seinen stark schmeckenden Blättern Salate und Suppen verfeinern.

Stell dir mal vor, wie es wäre, wenn das Essen wie im Schlaraffenland an den Bäumen wachsen würde. Nun, jetzt weisst du, das tut es!


Meine Buchempfehlungen zu diesem Thema sind:


Michael Machatschek: Die Reihe: Nahrhafte Landschaft, das Buch: Laubgeschichten, Gebrauchswissen einer alten Baumwirtschaft/Speise- und Futterlaubkultur


Stegfried Taschtl: 555 Obstsorten für den Permakulturgarten und -balkon.


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