Letzte Woche waren wir bei unserem Pflanzenlieferanten der Baumschule Neckertal im Toggenburg zu Gast und haben die beiden Inhaber, Stefan und Romano mit unseren Fragen gelöchert.
Hallo zusammen, wer seid ihr und was macht ihr hier?
Stefan: Das frage ich mich auch jeden Tag (lacht). Mein Name ist Stefan Suter. Unsere Bio-Baumschule und Bio-Gärtnerei im Neckertal steht seit über 35 Jahren für eine Landwirtschaft, die nicht nur ökologisch, sondern auch im Einklang mit der Natur und ihrer Vielfalt arbeitet. Wir sind hier im Albisboden und der Blattenhalden, wo wir wohnen, leben und arbeiten. Hier haben wir auch eine Gärtnerei, wo wir vor allem im Frühjahr Gemüse, Kräuter und Wildstauden verkaufen. Die Baumschule selbst liegt unten im Dorf Necker auf knapp 700 Meter über dem Meer, wo wir Obstbäume, Wildobst und Beeren produzieren. Wir sind spezialisiert auf höhentaugliche und robuste Obstsorten sowie auf grossfruchtige Wildobstsorten Züchtungen.
Romano: Ich bin Roman Andreoli. Uns ist es ein Anliegen, dass wir möglichst ein breites Spektrum an verschiedenen Arten und Sorten haben. Unsere Philosophie ist es, mit einer großen Biodiversität eine Ernährungssicherheit zu haben, die auch für die Natur wertvoll ist. Unsere Parzelle ist seit über 20 Jahren bio-zertifiziert, und der Einsatz von Mischkultur erfordert viel Handarbeit. Ein Großteil unserer Bäume wird für den Verkauf von Hand ausgegraben, was unser Engagement für eine nachhaltige und respektvolle Arbeit mit der Natur unterstreicht.
Was macht ihr anders als andere Baumschulen?
Stefan: Alles (lacht). Ein großer Unterschied ist, dass wir mit Mischkultur arbeiten und nicht in der Monokultur. Bei uns wachsen in derselben Reihe Apfel, Birnen, Zwetschgen, Vogelbeeren und weiss nicht alles. Das ist auch ganz bewusst so, da wir immer auf derselben Fläche rotieren. Das heißt, indem wir verschiedene Arten/Gattungen auf derselben Fläche haben, wird der Boden nicht ausgenutzt und die Pflanzen können miteinander kommunizieren. Auch für die Mikoriza und Bodenorganismen ist diese Bewirtschaftungsmethode optimal. Zudem arbeiten wir mit Pflanzenkohle.
Der grosse Unterschied zur konventionellen Baumschule ist, dass wir keine Herbizide oder sonstige Pflanzenschutzmittel spritzen und kein Mineraldünger verteilen. Zur Düngung verwenden wir ausschließlich Kompost, der aus dem Mist unserer eigenen Ponys gewonnen wird. Den Kompost reichern wir dann noch mit Pflanzenkohle an. Zudem bedecken wir den Boden mit abbaubarem Vlies zu oder jäten das Beikraut. Wir könnten auch hacken, machen wir aber nicht.
Die Bäume wachsen natürlich langsamer zum konventionellen Betrieb, welche die Bäume in drei Jahren hochjagen. Rein auch von der Topografie und klimatisch sind wir hier im Toggenburg nicht sehr begünstigt. Dies hat aber auch den Vorteil, dass unsere Pflanzen robuster sind und wenn sie mal verkauft werden keinen starken Pflanzschock haben und daher besser anwachsen.
Wie sieht es bei den Sorten aus im Vergleich zu einer herkömmlichen Baumschule?
Stefan: Unsere Sorten sind robust, höhentauglich und kommen ohne Pflanzenschutz klar. Die bekannten Sorten im Laden sind sehr anfällig und gehen oft im Bioanbau gar nicht oder es sind extrem viele Pflanzenschutzmittel nötig. Dies ist sicher ein Aspekt, auf den wir schauen. Wir haben natürlich auch eine große Sortenvielfalt. Die meisten Baumschulen haben 20 Äpfelsorten und 10 Birnensorten. Bei uns sind bei den Äpfel weit über 100 Sorten im Angebot. In unserer Sammlung, dem Muttergarten, haben wir um die 400 Äpfel, 200 Birnen und 100 Zwetschgen. Kirschen machen wir nicht mehr, die kommen hier im Neckertal sehr schlecht. Und dann haben wir natürlich auch beim Wildobst sehr viele Sorten.
Romano: Hier können wir natürlich auch auf unseren Vorgänger Pavel Beco zurückgreifen, welcher hier viel geleistet hat. Er hat sehr, sehr viel gesammelt. Dieser Sortenschatz konnten wir von ihm übernehmen im Obst und Wildobst.
Was sind Herausforderungen auf eurem unkonventionellen Weg?
Romano: Unsere Baumschule und Gärtnerei befinden sich in der Bergzone 2, was uns vor besondere infrastrukturelle Herausforderungen stellt. Der Betrieb erstreckt sich über drei Standorte, was den Transport von Pflanzen und Materialien erschwert. Diese Hürden haben uns dazu inspiriert, innovative Lösungen zu finden - wie etwa den eigens entwickelten Palettrolli, der speziell für die Beförderung von Erde und sonstigen Materialien im unwegsamen Gelände entworfen wurde.
Oft hört man unter GärtnerInnen eine Diskussion zwischen einheimischen und nicht einheimischen Arten. Sind eure Arten einheimisch oder nicht?
Stefan: Nein, wir haben nicht nur einheimische Sachen, überhaupt nicht. Abgesehen davon, dass Pflanzen, bei denen viele meinen, sie seien einheimisch wie zb. ein Apfel, gar nicht einheimisch sind. Der Apfel kommt aus Kasachstan. Wir haben zwar einen Wildapfel bei uns, den Malus sylvestris, aber er hat keine Genetik in den Sorten drin, die wir heute essen.
Wir haben sicher einige Pflanzen, welche viele meinen, sie seien einheimisch, aber eigentlich nicht. Einheimische Heckensträucher haben wir so ziemlich alles was irgendwie essbar oder für die Tiere wertvoll ist. Wir haben aber auch viele Essbare Pflanzen wie ein Gemüsebaum oder eine Indianerbanane, Kaki, Che Frucht oder einen Rosinenbaum, welche überhaupt nicht von hier kommen, aber nicht invasiv sind und keine einheimischen Arten verdrängen, bei uns aber sehr gut gedeihen. Das ist auch etwas was uns fasziniert und wir nicht einsehen, wieso wir solche Arten bei uns nicht pflanzen sollen. Meisten haben die Tiere auch noch Freude daran. Natürlich gibt es auch Pflanzen, welche die Bienen nicht so interessiert. Aber warum sollte man es nicht anpflanzen dürfen, wenn es keine einheimischen Arten verdrängt und für den Menschen essbar sind? Wir sind hier relativ offen.
Romano: Das Angebot an essbaren Wildpflanzen wäre ohnehin ziemlich begrenzt. Es gibt schon ein paar Sachen, die man essen kann, aber nicht vieles, das wirklich einheimisch ist.
Unter anderem seid ihr spezialisiert auf essbares Wildobst. Ich als Gartenbesitzer, wieso sollte ich eine Wildobsthecke pflanzen?
Romano: Wenn man Freude an einer Pflanze hat, ist es schon nur mega schön, der Pflanze zuzuschauen, wie sie sich entwickelt. Und dann natürlich ist es auch ein Mehrwert für die Natur. Wildobsthecken sind eine große Bereicherung zb. für Vögel welche sonst oft nicht mehr das große Angebot vorfinden. Sie freuen sich natürlich, wenn sie wilde Beeren da haben. Zusätzlich ist es eine Freude, wo man auch selber selber ernten kann und die Beeren frisch vom Strauch vernaschen oder zu einer leckeren Konfitüre verarbeiten kann. Es ist aber auch nicht schlimm, wenn man nicht dazu kommt und alles den Tieren überlässt. Auch bedornte Heckenpflanzen sind natürlich wertvoll für die Vögel. Speziell in der Brutzeit, gerade wenn es viele Katzen in der Nachbarschaft gibt. Zusätzlich gibt eine Wildobsthecke natürlich ein besseres Klima im Garten, wenn du eine einheimische Wildhecke um dich hast, anstatt einen englischen Rasen oder eine Thuja Hecke.
Stefan: Natürlich gibt es bei unseren KundInnen immer Spezialwünsche. Einige wollen nur drei Meter Höhe, andere wollen nichts Giftiges in der Hecke haben wegen den Kindern oder nicht stacheliges. Und natürlich schauen wir bei der Pflanzung auch auf klimatische Bedingungen, die Ausrichtung Süden-Norden, ob der Boden nass, trocken, sandig oder lehmig ist. Wir berücksichtigen jeden Aspekt.
Was sagt ihr zu alten / neuen Sorten?
Stefan: Das ist ein bisschen dieselbe Debatte wie mit den Neophyten. Nicht alles, was alt ist, ist gut und nicht alles, was neu ist, ist gut. Natürlich haben wir viele alte Sorten, auch welche ProSpecieRara als erhaltenswert eingestuft hat. Aber wir haben auch sehr viele moderne Sorten. Hier ist viel gegangen. Es sind viele robuste und pflegeleichte Sorten entstanden in den letzten Jahren. Sehr interessante Sachen. Auch hier kann man nicht sagen alt ist gleich robust und neu gleich anfällig, sondern sowohl als auch. Es gibt auch ProSpecieRara Sorten (obwohl man das so nicht sagen kann, sondern es sind Sorten welche ProSpecieRara als erhaltenswert anschauen) welche extrem anfällig sind.
Wie seht ihr den Stellenwert der Permakultur in eurem Betrieb?
Der Permakultur-Gedanke prägt unser gesamtes Tun. So schaffen wir auf unseren Parzellen bewusst Lebensräume für verschiedene Tierarten, darunter Wiesel, Hermeline und seltene Arten wie die Ringelnatter oder den Feuersalamander. Unsere Asthaufen und die naturnahe Gestaltung bieten diesen Tieren Schutz, Lebensraum und Rückzugsorte. Das gemeinsame Mittagessen gehört ebenso zu unserem Alltag und fördert den Gemeinschaftssinn, der in unserer Gärtnerei und Baumschule eine zentrale Rolle spielt.
Wünscht du dir eine Wildobsthecke oder sonstige Bepflanzung mit den spannenden Pflanzen der Baumschule Neckertal? Wir helfen dir dies umzusetzen, melde dich unter hallo@permaterra.ch
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